Der 15.6.2021 begann wie ein ganz normaler Tag. Nichts machte den Eindruck, dass wir am selben Tag noch zu 4. sein würden. Absolut gar nichts. Meine Tochter und ich genossen ein gemeinsames Frühstück, bevor ich sie in den Kindergarten brachte. Anschließend machte ich mich daran meine Kliniktasche zu packen. Ob ich insgeheim ahnte, dass wir sie bereits in Kürze brauchen werden?! Um 11 Uhr stand dann der wöchentliche Termin bei meiner Hebamme an. Sie legte mir, wie auch schon die Wochen zuvor, geburtsvorbereitende Akupunkturnadeln und untersuchte mich. Der Muttermund war bei 2cm und das Baby tief im Becken. Wenn ich etwas spüre, soll ich ihr gleich Bescheid geben. Es würde wahrscheinlich schnell gehen, sagte sie mir noch.
Nach meinem Termin schlenderte ich noch etwas durch die Stadt. Ihr müsst wissen, meine Hebamme hat ihre Ordination in der Wiener Innenstadt und das Wetter war an dem Tag herrlich. Ich ging in das ein oder andere Geschäft, um letzte Besorgungen fürs Baby zu machen und holte mir etwas zum Lunch. Als ich wieder im Auto saß spürte ich ein leichtes Ziehen im Unterleib. Dass das tatsächlich bereits die ersten Wehen waren, sollte ich erst später erfahren… ich jedenfalls schob es auf die Untersuchung, fuhr nach Hause und holte erst einmal meine Tochter vom Kindergarten ab.
Wieder zu Hause gingen wir in den Garten, aßen Eis und spielten in der Sandkiste. Und immer wieder spürte ich dieses Ziehen, das mittlerweile stärker geworden war. Ich wollte hineingehen, um mich etwas hinzulegen. Holte mir ein wärmendes Kirschkernkissen und ruhte mich auf der Wohnzimmercouch aus. Meine Tochter, die mich zwischendurch, sichtlich besorgt, fragte, ob sie mir helfen könne, beschäftigte sich die ganze restliche Zeit so toll allein. Ich war ihr wirklich dankbar, denn ich konnte mich auf sie gar nicht mehr richtig fokussieren. Als die Schmerzen dann nach und nach noch stärker wurden, entschied ich mich doch dazu, meine Hebamme anzurufen und sie um ihre Einschätzung zu bitten.
Kurze Zeit später hatte ich meiner Freundin mitgeteilt, aus unserem Treffen heute Nachmittag würde wohl nichts werden, meinem Mann gesagt er müsse bitte rasch nach Hause kommen, und meine Mama herbestellt. Um 16.45 Uhr machten wir uns auf den Weg ins Krankenhaus. Im Auto wurden die Wehen heftiger und die Abstände geringer. Langsam begriffen wir – wir würden wohl noch heute zum 2. Mal Eltern werden.

In der Geburtenstation des Krankenhauses, es war mittlerweile 17.25 Uhr, trafen wir auf unsere Hebamme, die uns in den Kreißsaal begleitete. Dort wurde ich direkt untersucht. Der Muttermund war bereits bei 5cm. „Dann gehe ich noch schnell etwas essen“, hörte ich meinen Mann sagen, als er mal eben hochgerechnet hatte und sich sicher war, wir würden hier noch Stunden verbringen. Aber die Hebamme ließ ihn nicht mehr weg. Darüber war ich ihr auch sehr dankbar, denn ich brauchte jetzt seine Unterstützung. Im Zuge der Untersuchung war nämlich meine Fruchtblase geplatzt und die Stärke der Wehen war kaum noch auszuhalten. Die Abstände hatten sich mittlerweile auf 3 Minuten verkürzt und ich war auf der Suche nach einer halbwegs angenehmen Position, um die Wehen veratmen zu können. Vergeblich. Bis meine Hebamme vorschlug, in die Badewanne zu gehen. Die Schmerzen waren darin zwar immer noch sehr stark, aber durch die Wärme des Wassers weitaus erträglicher.
Wenige Wehen später spürte ich bereits einen starken Druck nach unten und das Bedürfnis zu pressen. Meine Hebamme gab das Okay und ich legte los. Aber dann war da noch dieser Schmerz. Der Schmerz, der mich davon abhielt, so stark zu pressen, dass ich meinem Baby den Weg in diese Welt bereiten konnte. Dabei war ich doch nur so knapp davon entfernt mein kleines Wunder endlich in den Armen halten zu können. Jetzt war ich schon so weit gekommen. Ich war auf der Zielgeraden. Jetzt oder nie. Ich würde es schaffen. Bestimmt. Und dann überkam mich diese Kraft. Diese Kraft, die aufgrund der Gedanken an mein Baby so unfassbar stark war, dass sie mich all meine Reserven mobilisieren ließ.
Und plötzlich war er da, um 17.49 Uhr. Unser Sohn. Mit seinen 50cm und 3230g lag er auf mir. So klein und zart. So zerbrechlich. Hat uns überrascht, 11 Tage vor ET. Sogleich überrollten mich diese starken überwältigenden Gefühle und ich fühlte eine tiefe Liebe zu ihm. Ich hätte nicht glücklicher sein können.
